Nachrichten und Termine für und aus dem Stadtbezirk Köln-Chorweiler

Friedlicher Protest der Tausenden

Kölner Norden für die Verbesserung der örtlichen Bildungsbedingungen

Von Hubert Brand

Marode Toiletten, von den Wänden tropft es – lang ist die Mängelliste des Heinrich-Mann-Gymnasiums und so wurde bei einer Demo aus der Abkürzung HMG das Hunderte Mängel-Gymnasium.

Die über eintausend Schüler*innen des Gymnasiums machten sich am 16. Mai 2023 von der Schule zu einer Kundgebung vor dem Bezirksratshaus in Chorweiler auf, um mit anderen Schulen auf die Mängel aufmerksam zu machen, verbunden mit dem Wunsch, dass sie schnell behoben werden.

Noch auf dem Fühlinger Weg stießen Schüler*innen der Anna-Langohr-Schule zum Marsch hinzu. Am Bundesamt für Verfassungsschutz bog der Demonstrationszug links auf die Merianstraße ein, vorbei an der Hall of Fame und anschließend rechts in die Florenzer Straße. Weiter ging es über die Wille-Suth-Allee und den Liverpooler Platz, bevor der Zug am Kundgebungsort Pariser Platz endete. Zuvor waren bereits andere Märsche von anderen Schulen eingetroffen, unter anderem auch die gesamte Sankt-Martin-Schule aus Seeberg mit rund vierhundert Personen.

Die Organisatoren Melanie von Vegesack und Philipp Meise begrüßten insbesondere die rund zweitausend Schüler*innen, die sich auf dem Pariser Platz eingefunden hatten. Es ginge darum, „dass die ganze Stadt uns hört und vor allem die Politik und die Verwaltung der Stadt Köln Eure Interessen und Eure Bildungsbedingungen endlich ernst und in den Fokus nehmen“, erklärte von Vegesack.

Der große Zuspruch zur Demo zeige, dass die Teilnehmer*innen mit den Bildungsbedingungen im Stadtbezirk nicht einverstanden seien.

Die Schüler*innen würden gleich mehrere Grundrechte wahrnehmen: das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit und das Recht auf Bildung.

„Die Sanitäranlagen in unseren Schulen verdienen das Prädikat ‚Weltkulturerbe’”, erklärte von Vegesack und wies damit auf die maroden Zustände in den Schulen hin. „Die Räume für die Fächer der Naturwissenschaften (speziell im HMG) sollen bereits seit unfassbaren fünfzehn Jahren in einem adäquaten Zustand eingerichtet werden“, kritisierte die 1. Schulpflegschaftsvorsitzende.

Laut Bauprojekt-Beschreibung der städtischen Gebäudewirtschaft sollte der Modulbau Naturwissenschaft im Jahr 2023 starten; jedoch sei die ursprüngliche Planung gestoppt worden und eine erneute Abstimmung sei erforderlich. Es soll Differenzen zwischen der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln und dem Auftragnehmer geben, weshalb gutachterliche Stellungnahmen eingeholt würden.

Im Namen der Organisatoren bedankte sie sich für den Mut, dass sie vor allem für die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten an den Schulen im Kölner Norden eintreten.

Von Vegesack führte weiter aus: „Leider müssen wir feststellen, dass unsere Stadtverwaltung tatsächlich versucht, uns leiser zu machen, indem Journalisten in Köln, welche uns unterstützt haben und kritisch über die Stadtverwaltung geschrieben haben, in ihrer Berufsausübung seitens der Stadt beschränkt werden. Dies ist aus unserer Sicht ein handfester Skandal! Denn hier wird das Grundrecht der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit beschnitten! Es zeigt aber, dass wir gehört werden!“

Am Nachmittag in der Ratssitzung erwähnte Stefanie Ruffen (FDP) die Demo bei der Vorstellung des Antrages „Bestandsbezogene Rücklagenbildung“ als Beweis dafür, dass in Köln nicht gut mit den Bestandsgebäuden umgegangen werde.

Von Vegesack stellte einen Forderungskatalog vor, der mit allen beteiligten Schulen erarbeitet wurde. Er enthält zwölf konkrete komprimierte Forderungen.

Die Teilnehmer*innen der Demo und Kundgebung erwarteten von der Verwaltung und der Politik, dass jetzt rasch gehandelt werde und die gravierenden, seit Jahren bestehenden Mängel endlich angegangen und behoben würden, so von Vegesack.

Sie trug drei Zitate vor: „Bildung bedeutet, Talente zu entdecken und zu entwickeln“ von Joachim Gauck, „Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern“ von Nelson Mandela und „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung – keine Bildung“ von John F. Kennedy. Oder um es mit den Worten der Kölner Band „Kasalla“ zu sagen: „Mir sin eins!“, so die 1. Schulpflegschaftsvorsitzende.

HMG-Schülersprecher Garij Maruntselu führte den Anwesenden aus der Sicht der Schüler*innen die Dramatik der Zustände vor Augen.

Auch die Lehrkräfte engagierten sich. So hat der kommissarischer Leiter der Koordination Erprobungsstufe, Rainer Tack, das Lied „Bei uns am HMG“ geschrieben und mit der Klasse 6a einstudiert. Dieses Lied wurde nun den Teilnehmer*innen präsentiert. Inhaltlich passe es zu jeder Grund- und weiterführenden Schule des Kölner Nordens, so von Vegesack.

Auch Manuel Flintrop, Lehrer für Geschichte, Sozialwissenschaft und Wirtschaft, hatte mit fünf Schüler*innen etwas einstudiert. Wegen der parallelen Vorbereitung auf Klassenarbeiten und teilweise auch für die MTM-Bewerbung gelte ihnen ein besonderer Dank, so von Vegesack.

Mit „Blowin in the Wind“ von Bob Dylan brachte die Band das Protestgefühl der Sechziger Jahre wieder hervor. Das Lied stammt aus der amerikanischen Bürgerrechts- und Friedensbewegung und behandelt Fragen zu Freiheit, Krieg und Frieden, deren Antwort nur der Wind weiß.

Der SPD-Stadtverbandsvorsitzende, Mattis Dieterich, mahnte, es sei an der Zeit, für eine andere Schulpolitik zu streiten. Der Paragraph 1 des Kölschen Grundgesetz „Et es wie et es“ beschreibe die Situation im deutschen Bildungssystem sehr treffend.

Er wies darauf hin, dass das Geld da sei und dass es auch kein Erkenntnisproblem gebe, sondern es handele sich um ein Umsetzungs- und Prioritätenproblem. Er forderte die Verwaltung auf, vorausschauend zu planen. Er motivierte die Anwesenden dazu, mit den Protesten fortzufahren, damit nicht nur “Dat Wasser vun Kölle es jot“, sondern eines Tages auch die „Schultoiletten vun Kölle sind jot“ gesungen werde.

Anschließend nahm Klaus Roth (Die Linke) in Vertretung des Bezirksbürgermeisters den 12-Punkte-Katalog von Philipp Meise entgegen. Er bekräftigte, die Bezirksvertretung sei an der Seite des Protestes, doch brauche es solche Veranstaltungen, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Auch die Einzelmandatsträgerin Lilo Heinrich (parteilos) und Roman Friedrich (CDU) von der Bezirksvertretung waren auf dem Pariser Platz. Wie so häufig bei Bürger*innenprotesten fehlten Vertreter der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“.

Zum Abschluss der Kundgebung spielte die Band noch „Wake Me Up“ von Avicii. Der Text wurde vom amerikanischen Soulsänger Aloe Blacc geschrieben und im Original auch gesungen.

Diese Veranstaltung diente als Auftakt zu weiteren Protestaktionen, so soll es in Zukunft auch vor das Rathaus in der Innenstadt gehen, um auf sich aufmerksam zu machen.

Polizeihauptkommissar Christoph Schulte berichtete zum Polizeieinsatz: „Die örtlich zuständige Polizeiinspektion 4 hat die Aufzüge mit eigenen Einsatzkräften (niedriger zweistelliger Bereich) begleitet. Es war keine Bereitschaftspolizei vor Ort.“

Zur Teilnehmerzahl mache die Polizei keine Angaben, so Schulze. Rund dreitausend Menschen waren auf den zentralen Platz in Chorweiler anwesend.


Impressionen

04. Mai 2024
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